Warum?
Eine Frage des Vertrauens
Simon Gall
Der erste Haken kommt von rechts. Mit schmerzverzogenem Gesicht tupft man sich das Blut von der Oberlippe und sieht sich fragend um woher dieser plötzliche „Angriff“ gekommen ist. Doch ohne große Verzögerung kommt der nächste Schlag von links und wie in einem Comic sehen wir Sternchen. Auch die dritte Faust lässt nicht lange auf sich warten. Verwirrt und leicht benommen setzen wir uns auf und stellen uns die Frage:
„Warum? Warum jetzt? Warum ich?“
Jeder Mensch kennt diese Phasen im Leben, in denen man bei allem, was kommt „HIER!“ zu schreien scheint. Die Ereignisse überschlagen sich. Schnell sieht man sich in einer Opferrolle, wird mutlos und beginnt die Hoffnung zu verlieren.
Neben all den Emotionen, die uns in unserem Leben begleiten, spielt ein gewisses Maß an Rationalität doch immer eine Rolle. Und so beginnen wir uns auf die Suche zu machen nach dem Sinn. Einer Antwort. In dem Glauben, dass uns die Begründung im Nachhinein Trost schenken und uns beruhigen wird. Manchmal lässt sich auf die dann auftretenden Fragen eine Antwort finden. Aber oft hinterlassen die Situation nur einen schalen Geschmack in unserem Mund. Die Nase blutig, das Auge blau.
In diesen Situationen am Boden liegen zu bleiben und sich im Selbstmitleid zu suhlen ist oft die einfachste Methode, um mit den Ereignissen umzugehen. Aber ist es die Beste?
Nein! Denn so sehr wir uns einbilden wollen, dass wir die einzigen sind, denen es so geht und dass diesen Schmerz sowieso kein anderer Mensch nachvollziehen kann, so sehr ist die Wahrheit eine andere. Wir alle fallen, stehen auf, fallen wieder. Fühlt es sich dann an wie ein Schritt zurück, so nehmen wir doch meistens nur Anlauf für den nächsten Schritt unseres inneren Wachstums. Wie eine Welle, die sich zurückzieht, bevor Sie erneut am Ufer aufschlägt.
In solchen Momenten erinnere ich mich gerne an den Slogan des PULS Podcasts Die Lösung:
Es gibt nicht die Lösung – jeder strauchelt so gut er kann.
Ich befinde mich gerade in so einer Phase. Gerade dachte ich noch, dass es das nun gewesen sein muss. Zack! Nächste Hiobs Botschaft. Die Schultern werden schwerer, der Gang nicht so aufrecht wie zuvor. Egal was kommt, es gibt für alles eine Lösung. Und eine weitere Möglichkeit zu wachsen. Es schadet deshalb nie sich einen persönlichen „mentalen Werkzeugkasten“ zuzulegen und diesen zu hegen und zu pflegen. Mittel und Wege sich neuen Herausforderungen zu stellen und diesen proaktiv und mit so wenig Angst wie möglich zu begegnen. Es kann ein Buch sein, das unsere Nerven beruhigt, eine Playlist, die uns auf andere Gedanken bringt oder ein kreatives Hobby wie malen oder schreiben, das als Kanal dient, um die ganzen angestauten Gedanken und Emotionen nach draußen zu lassen, bevor wir das Gefühl haben zu platzen.
Eines dieser Werkzeuge ist das „Gesetz der Anziehung“. Seine drei Aspekte sind so simpel, wie einleuchtend. Zuerst gilt: Gleich und gleich gesellt sich gern! Eine positive Einstellung macht eine positive Entwicklung im Außen erst möglich, während Negativität meist das Gegenteil zur Folge hat. Aber nicht nur das. Die Natur verabscheut Vakuum. Unser Innenleben ist niemals leer. Schaffen wir es also unser Inneres von Negativität zu befreien, so geben wir dem Positiven in uns mehr Raum sich zu entfalten.
Zu guter Letzt bleibt Aspekt Nummer drei: Die Gegenwart ist immer perfekt! Dieser Aspekt beruht auf der Annahme, dass im Jetzt immer etwas getan werden kann, um die Situation zu verbessern. Auch wenn dies manchmal aussichtslos zu sein scheint. Dabei geht es nicht darum „Perfektion“ zu erschaffen. Ziel ist es unter den Begebenheiten, mit denen wir konfrontiert sind, das Beste herauszuholen.
Ich gehe davon aus, dass viele diese Informationen in der Theorie verinnerlicht haben. Umso größer ist die Frustration, wenn nichts, aber auch wirklich gar nichts, zu funktionieren scheint. Und ehe man es sich versieht, wird die Abwesenheit von Positivität mit einer neuen Ladung von negativen Gedanken geflutet.
Und jetzt kommt der springende Punkt.
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mich mit einer sehr engen Freundin unterhalten. Ich erzählte ihr, dass ich nicht verstehe, wieso sich meine Situation nicht verbessert. Ich sagte ihr, dass ich doch regelmäßig Tagebuch schreiben und meditieren würde. Ich versicherte ihr, dass ich mich mit Freunden austauschen und bewusst versuchen würde, meine Situation zu verbessern.
Nach einem kurzen Moment des Zögerns machte sie mich sprachlos, als sie entgegnete: „Es heißt ja auch nicht human doing, sondern human being.“ Und sie hat recht. Es geht oft nicht so sehr ums Tun. Es geht darum einfach nur zu sein!
Je mehr wir versuchen ein Gefühl oder eine Veränderung zu erzwingen, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Gefühl oder diese Veränderung in unser Leben tritt.
Es geht ums Vertrauen.
Nicht jeder wird dieser Ansicht zustimmen und das ist vollkommen in Ordnung.
Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns immer wieder mit Situationen und Herausforderungen konfrontiert sehen, die uns auf etwas hinweisen möchten. „Lernaufgaben“, wenn man so möchte. Neue Begegnungen und neue Herausforderungen können uns dabei helfen zu wachsen und uns weiterzuentwickeln. Aus eigener Erfahrung weiß ich wie schwierig diese Erkenntnis sein kann. Auch mir schwer fällt es gelegentlich schwer dieses tiefe Vertrauen in mir zu spüren. Und dennoch stehe ich hinter jedem meiner Worte zu 100%.
Warum? In manchen Situationen gibt es darauf keine Antwort. Und manchmal gibt es unzählige. Von Zeit zu Zeit lässt die Antwort nicht lange auf sich warten. Ein anderes Mal dauert es Monate oder Jahre bis uns die Erkenntnis einen „Aha-Moment“ beschert.
Wenn etwas passiert, das uns ratlos zurücklässt, so ist diese Frage absolut legitim. Und dennoch versuche ich jedes Mal aufs Neue diese Frage wie eine Wolke an mir vorbeiziehen zu lassen und zu vertrauen. Die einen vertrauen einem Gott, die anderen dem Universum oder dem Leben.
In jedem Fall: Vertraue darauf, dass alles gut sein wird.
Denn am Ende wird alles gut; und wenn es nicht gut ist, so ist es noch nicht das Ende.