Mann in Hemd sitzt auf einer Mauer. Im Hintergrund das Meer.

Simonello's World

03. Feb. 2022

Amor Fati - Eine Initiative für seelische Gesundheit

Simon Gall

Die Monster in unserem Kopf

Depression, Bipolare Störung, Angststörungen oder Traumata sind nur ein paar Beispiele für Krankheiten, die das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen fest im Griff haben.

Sie lähmen, saugen einen aus, nehmen einem den Mut, die Hoffnung und die Lebensfreude.

Sie legen sich über einen wie ein unfassbar schweres Tuch, vernebeln einem die Sinne und sorgen dafür, dass gefühlt nur eine leere Hülle von einem selbst zurückbleibt.

Und jetzt der größte Haken: Man sieht sie nicht.

Bricht man sich ein Bein, ist das kaum zu übersehen und es wird auch keiner auf die Idee kommen zu sagen: „Geh doch einfach mal spazieren.“ Aber dass eine psychisch erkrankte Person manchmal physisch wirklich nicht imstande ist, das Bett zu verlassen, wird selten verstanden oder ernst genommen.

Doch was der Krankheit noch so viel mehr Kraft verleiht, ist die Scham, offen darüber zu sprechen.

Sicher, in den letzten Jahren gab es Fortschritte, doch psychische Erkrankungen sind weiterhin, auch hier in der Region, ein Tabuthema. Und das Stigma, das weiterhin besteht, macht eine Veränderung des Status Quo schwieriger.

Und das sollte nicht sein.

Krise und Chance

Wie viel Gutes kann aus einer Krise heraus entstehen? Die Herausforderung scheint unüberwindbar zu sein und die Aussicht auf Besserung in weiter Ferne. Und dann kommt etwas, das uns die Situation in einem neuen Licht betrachten lässt und uns die Möglichkeit zur Verfügung stellt, das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen, nach vorne zu schauen und sich die Chance, die uns der widrige Umstand bietet, vor Augen zu führen. Aber dafür muss man das zugrundeliegende Problem erst erkennen, benennen und ihm den Raum geben, dessen es bedarf, um sich damit auseinanderzusetzen.

Dieses Phänomen hat sich unzählige Male im großen Kontext bewahrheitet. Aber darum geht es hier nicht. In diesem Fall geht es um jeden Einzelnen von uns.

„Amor Fati“ ist lateinisch und bedeutet „Liebe zum Schicksal“. Liebe zu allem, was kommt. Nicht nur zum Guten, auch zum vermeintlich Schlechten. Denn alles, was uns passiert, ist Teil unseres Lebens. Und wir sind bekanntlich die Summe unserer einzelnen Teile.

Plattform und Selbsthilfe

Und genau aus diesem Grund trägt dieses Projekt den Namen „Amor Fati“.  

Oberstes Ziel ist dabei, das Thema mentale Gesundheit in unserer Region zu entstigmatisieren und eine Plattform zur Aufklärung zu initiieren.

In diesem Kontext möchte ich eine Selbsthilfegruppe ins Leben rufen, die einen offenen Austausch miteinander und eine offene Kommunikation zwischen Betroffenen, aber auch deren Angehörigen, ermöglichen soll.

Sie soll einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen, die gerade eine schmerzhafte Phase in ihrem Leben durchlaufen, eine Anlaufstelle haben und die Gewissheit bekommen, dass sie nicht allein sind.

Das Angebot gilt für alle, unabhängig von Alter, Herkunft oder Geschlecht.

Natürlich besteht nicht der Anspruch, Therapie und ärztliche Unterstützung zu ersetzen. Dennoch können ein gemeinsames Miteinander, ein offener Erlebnisaustausch und das Teilen von Bewältigungsstrategien eine positive Entwicklung zur Folge haben.

Auf kurz oder lang möchte ich damit beginnen, Aufklärungsarbeit in Schulen zu leisten, um auch Jugendliche für die Thematik zu sensibilisieren und Informationen und entsprechende Hilfsangebote zu vermitteln.

Wer ich bin & wieso das alles

Mein Name ist Simon Gall, ich bin 27 Jahre alt und arbeite in der Metzgerei meiner Eltern. Ich fühle mich sehr wohl in der Heimat, aber das war nicht immer so. Meiner Heimkehr 2020 gingen zahlreiche Umzüge voraus und sehr wechselnde Lebens- und Gefühlszustände.

Während meiner Schulzeit hatte ich mit Mobbing zu kämpfen. Ein Schulwechsel versprach Besserung, doch auch wenn die Erfahrungen, die ich dort machen durfte, von außen betrachtet wie ein Volltreffer schienen, fühlte ich mich in meiner Haut nicht wohl.

Ich wollte jemand anders sein, und die Erwartungen an mich selbst waren schlicht und ergreifend nicht erreichbar. Alte Wunden nicht geschlossen, hatte ich zwar ein Riesenego, aber nicht einen Hauch Selbstwert.

Meine erste Psychotherapie begann kurz vor dem Abitur; viele weitere folgten.
Die Diagnose Depression war naheliegend; manche Ärzte vermuteten, ich sei manisch-depressiv. Heiße es, wie es wolle. Ich war krank. 2014 gipfelte der Verlauf in einem zehnwöchigen Aufenthalt in einer Tagesklinik und einem Monat geschlossener Psychiatrie.

Tiefpunkt & Wende

So konnte es nicht weitergehen. Ich setzte meine Arbeit im Januar 2015 fort, doch im März folgte der nächste Tiefschlag. Ein Neurologe stellte mich von der Arbeit frei. Die Angst vor einem erneuten Krankenhausaufenthalt ließ in mir das Verlangen aufkommen, einen gefühlt letzten Anlauf zu nehmen, um das Monster in meinem Kopf in die Schranken zu weisen.

Ich packte meinen Rucksack, steckte das am Tag zuvor gekaufte Prepaid-Handy ein, schrieb meinen Eltern ein paar Worte zum Abschied und lief los. Erstmal ohne Ziel. Ohne Internet. Ohne Musik. Ohne dass jemand wusste, wo ich war. Nur die Straße, meine Füße und ich, der ich das als letzte Möglichkeit sah, das Chaos in meinem Kopf zu beseitigen.

Drei Monate und 1 300 km später machte ich in Anzio kehrt. Rom hatte ich zu diesem Zeitpunkt längst hinter mir gelassen. Ich war um zahlreiche Erlebnisse und Erkenntnisse reicher und hatte meinen Lebensmut zurückbekommen.

Ich bin ein emotionaler Mensch geblieben, und es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte in der Zwischenzeit nicht mehrere Talsohlen durchschritten. Eine dieser Talsohlen legte sogar den Grundstein für dieses Projekt. Aber ich bin stärker geworden und habe einen oder viele Schritte in die richtige Richtung gemacht.

Und jetzt?

Mentale Gesundheit ist so wichtig, aber ohne die notwendige Thematisierung bleibt sie ein Schattenwesen. Und gerade im Schatten – ignoriert, nicht ernst genommen oder verdrängt – finden alle oben genannten Krankheiten den idealen Nährboden.

Lasst uns anfangen darüber zu sprechen.
Vom Schatten ins Licht.

Räumlichkeiten stehen zur Verfügung, und weitere notwendige Schritte zur Realisierung wurden bereits eingeleitet.

Ich bin gespannt und freue mich auf dieses Projekt, das mir sehr am Herzen liegt.

Für Rückfragen, Feedback oder andere Anliegen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.

simon.max.gall@gmail.com